Nachruf

Mein lieber Poldi!

Du hast uns verlassen. Einfach so, ohne Vorwarnung, ohne Lebewohl und ohne Abschied. Wie konntest du uns das antun? Wie konntest du mir das antun??? Wie um alles in der Welt bist du auf die bescheuerte Idee gekommen, uns hier so mir nichts dir nichts zurück zu lassen, allein und verzweifelt?

Wir waren nur eine einzige Nacht nicht zu Hause, haben nach einer Familienfeier außerhalb übernachtet, und ausgerechnet in dieser Nacht hat deine Seele beschlossen, dein kleines grau getigertes Pelzchen zu verlassen und über die Regenbogenbrücke hinweg in die Goldenen Steppen aufzubrechen. Das war nicht fair.

Am Samstag Morgen hast du mich um vier Uhr in der Frühe aus dem Bett geholt, weil du raus wolltest oder musstest. Ich habe dir, wie unzählig viele Male vorher auch, die Terassentür geöffnet und dir hinterher geschaut, wie du durch den Garten in die Dunkelheit gesaust bist. Ich ahnte nicht, dass es das letzte Mal sein sollte, dass ich dich durch die Beete springen sehen sollte.

Als wir am Sonntag von unserem Kurzausflug zurück kamen, warst du nicht da, um uns zu begrüßen. Na gut, das war so ungewöhnlich nicht, schließlich warst du immer ein eigenwilliger Kater, der kam und ging, wann er wollte. Als du nach einer Stunde immer noch nicht auftauchtest, begann ich mir Sorgen zu machen. Nach zwei Stunden beschloss ich, dich zu suchen. Ich brauchte nicht weit zu gehen, nur ein paar Meter den Brunnenweg entlang, da sah ich deinen Pelz liegen, unter der Hecke an unserer nördlichen Grundstücksgrenze, ganz in der Nähe deines Lieblings-Sonnenplatzes über dem Komposter.

Von Weitem sah es aus als würdest du schlafen. Ich rannte zu dir, und jetzt sah ich dein Gesicht: Das Mäulchen und die Augen weit aufgerissen, wie ein stummer Schrei. Ich nahm dich in den Arm und brach einfach durch die Hecke hindurch in unseren Garten zurück. Ich riss mir dabei die Haut auf und merkte es nicht. Ich legte dich vor die Füße meiner Frau. Und dann, glaube ich, habe ich geschrien und geheult wie ein Klageweib aus dem Mittelalter.

Du warst doch noch nicht einmal acht Jahre alt, hattest mindestens noch einmal soviel Jahre vor dir, wenn man die durchschnittliche Lebenserwartung einer Europäisch Kurzhaar betrachtet. Warum bist du gestorben? Du warst nicht krank, hattest keine Verletzungen, und dennoch war dein Leben gestern und hier zu Ende. Ich begreife es einfach nicht.

Deinen Pelz haben wir unter der Trauerweide im „Hühnengrab“ beerdigt, dort, wo schon Waldis Fell beigesetzt wurde. Du brauchst deinen Pelz ja nicht mehr, denn auf den Goldenen Steppen trägt jede Katze, wenn man den alten Überlieferungen glauben kann, einen sandfarbenen Übergangspelz. In den Goldenen Steppen, so sagt man, scheint immer die Sonne, und kristallklare Bäche spenden kühles Wasser. Dort wirst du von der Großen Bastet, der ältesten und weisesten Katze überhaupt, beschützt und behütet, so lange, bis du dich erholt hast und dir einen neuen Pelz aussuchst und wieder auf die Erde zurück kommst und wiedergeboren wirst. Und vielleicht, wenn du ein wenig Glück hast, wirst du dich an ein paar Menschen in einem kleinen Dorf im Thüringer Wald erinnern, die dich geliebt haben und die es gut mit dir meinten.

Du warst etwas Besonderes. Schon als du zu uns kommen solltest, damals im Juli 2006, hast du dich nicht fangen lassen, und so kam es, dass du erst zwei Wochen nach deinen Wurfgeschwistern Flax und Krümel bei uns einzogst. Wegen deiner weißen Söckchen nannten wir dich Poldi nach Lukas Podolski, weil damals gerade Fußball-EM war. Du warst der erste eures Dreigespanns, der einen Vogel fing, der fast größer war als du selbst. Du brauchtest am längsten, um die Sache mit der Katzenklappe zu begreifen, wieso auch solltest du durch so ein Ding klettern, wenn der Mensch dir auch die Tür öffnen kann!

Du warst der größte Mäusefanger im ganzen Dorf, manche Nacht brachtest du drei Stück davon ins Schlafzimmer und legtest sie vor das Bett.

Als zwei Jahre später Blacky beschloss, bei uns einzuziehen, warst du nicht besonders glücklich, und bis zuletzt wart ihr keine guten Freunde, aber das kann doch nicht der Grund gewesen sein, sich so einfach aus dem Staub, äh, aus dem Leben zu machen.

Mein lieber Poldi, mein kleiner Kuschelkater, mein Schnurrdiburr, ich werde dich vermissen. Wir werden dich vermissen. Du wirst dich nie mehr am Fußende meines Bettes zusammenrollen und uns beide in den Schlaf schnurren. Du wirst nie wieder zur Terrassentür hineinkommen und mich mit deinen großen grünen Augen vorwurfsvoll anschauen, weil kein Futter im Napf ist.

Nie wieder wirst du dir mit deinem Erzfreund Blacky ein Gesangsduett liefern. Du wirst nie mehr auf der Couch neben mir liegen und mich mit deinen kleinen Pfötchen in die Seite treten. Und du wirst mir nie wieder mit lautem Siegesgemauze eine erlegte Maus präsentieren und vor das Bett legen.

Nie wieder werde ich dich ausschimpfen, wenn du dir ein Stück Wurst vom Tisch geklaut hast oder gleich die ganze Packung heruntergerissen und sie bis in den Garten geschleift hast. Keiner wird je wieder über dich stolpern, weil du direkt hinter einem hockst, um auf ein Stück Steak zu lauern, und niemals wieder werde ich deine Kotze wegwischen.

Mein kleiner grauer treuer Freund, wir werden dich nicht vergessen. Du lebst weiter in unseren Erinnerungen und in unseren Herzen, und in den vielen Fotos und Videos, die wir von dir haben.

Liebes kleines Fellmonster, ich wünsche dir viel Spaß und viel Glück in deinen zukünftigen Leben, und vielleicht, wenn es denn Wunder gibt, erkennen wir dich irgendwann und irgendwo in einem kleinen grau getigerten Katzenwelpen wieder.

Dein Papa Matthias, deine Mama P. und deine Oma Chr. nebst deinen Katzengeschwistern Flax, Krümel und Blacky